Dienstag, 25. September 2007

WALDEN

Ich zog in den wald, weil ich den wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen leben näher treten, zu sehen ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hatte, damit ich nicht, wenn es zum sterben ginge, einsehen müsste, dass ich nicht gelebt hatte.Ich wollte nicht das leben, was nicht Leben war; das Leben ist so kostbar. Auch wollte ich keine Entsagung üben, außer es wurde unumgänglich notwendig. Ich wollte tief leben, alles Mark des Lebens aussaugen, so hart und spartanisch leben, dass alles, was nicht leben war, in die Flucht geschlagen wurde…Ich bin ziemlich vielherumgekommen und überall, in den länden, den Schreibstuben und auf dem Feld schienen mir die einwohner auf tausenderlei merkwürdige weise ihre sünden abzubüßen…die meisten menschen sind, selbst in unserm verhältnismäßig freien land, aus lauter Unwissenheit und Irrtum so sehr durch die unnatürliche, überflüssige, grobe arbeit für das leben in anspruch genommen, dass seine edleren früchte von ihnen nicht gepflückt werden können. Tatsächlich hat der arbeitenden Mensch tag für tag keine muße zu einer wahren Ganzheit; er kann die zeit nicht aufbringen, die menschlichsten bezíehungen zu den menschen unterhalten; seine arbeit würde auf dem markte unter den wert sinken, und er hat keine zeit, etwas anderes zu sein als eine maschine…als ob man die zeit totschlagen könnte, ohne die ewigkeit zu verletzen. Die grosse masse der menschen führt ein leben voll Verzweiflung. Was man so Resignation nennt, ist bestätigte Verzweiflung. Aus der Verzweiflung der stadt, zieht man in die Verzweiflung des landes hinaus und tröstet sich an der Tapferkeit von Sumpfotter und Bisamratte. Eine stereotype, wenn auch unbewusste Verzweiflung ist selbst unter dem versteckt, was man gewöhnlich Vergnügungen und Unterhaltung der menschen nennt. Spiel steckt keines darin, denn das kommt nach der arbeit…den grösseren teil von dem, was meine Mitbürger gut nennen, halte ich innerlich für schlecht, und wenn ich irgendetwas bereue, so ist es höchstwahrscheinlich mein gutes betragen…die unaufhörliche Aufregung und sorge vieler menschen ist eine unheilbare krankheitsform…lasst uns einmal betrachten, um was sich die erwähnte sorge und Unruhe dreht und in welchem maße es nötig ist, dass wir uns beruhigen oder wenigstens vorsehen. Es wäre von einigem Vorteil, ein bedürfnisloses grenzleben zu führen, wenn auch inmitten äußerlicher Zivilisation…warum degenerieren die menschen immer? Welcher art ist der luxus, der Nationen entnervt und zerstört? Sind wir sicher, dass nichts davon in unserem eigenen leben ist?
..während die Zivilisation unsere Häuser verbessert hat, ist es ihr nicht in gleichem maße gelungen, die menschen, welche darin wohnen, zu verbessern…die meisten menschen haben nie bedacht, was ein haus ist, und sind tatsächlich überflüssigerweise ein leben lang arm, weil sie glauben, ein ähnliches haben zu müssen, wie ihre Nachbarn…der mann, der wirklich mit seiner arbeit für sein Besitztum gezahlt hat, ist so selten, dass jeder nachbar auf ihn mit dem finger deuten kann…bankrott und zahlungsverweigerung sind die Sprungbretter, von denen aus ein großer teil unserer Zivilisation seine Turnkünste und Purzelbäume ausführt…wir sind ein verkrüppeltes geschlecht von zwergen und unser geistiger Gedankenflug reicht nicht viel höher als die spalten der Tageszeitung…der Mensch ist zum Werkzeug seiner Werkzeuge geworden! Warum müssen wir uns wahnsinnig beeilen, erfolge zu erringen, und wozu stürzen wir uns in solch verzweifelte Unternehmungen?……..Henry-David-Thoreau-




Henry David Thoreau, WALDEN



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